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Auszug aus der Marburger Bund Zeitung Nr. 5 / 2016
MBZ

MB-Landesverband fordert mindestens*) 40 % unbefristete Verträge für Ärztinnen und Ärzte an den Universitätskliniken!

Ärztliche Personalräte im Marburger Bund zu Gast im Wissenschaftsministerium


Am 09. März 2016 war der Marburger Bund Baden-Württemberg mit seinen Vertretern der ärztlichen Personalräte an den baden-württembergischen  Universitätskliniken zu Gast im Wissenschaftsministerium. Zentrales Thema des Gesprächs mit der Amtsleiterin, Ministerialdirektorin Dr. Simone Schwanitz,  gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzende in Heidelberg und Ulm, war die unbefriedigende Vertragssituation der Ärztinnen und Ärzte an den Universitätskliniken. „Eine Aneinanderreihung von befristeten Verträgen mit kurzen bis sehr kurzen Laufzeiten prägt hier das Bild“ erläuterte Dr. Frank J. Reuther, der 1. Vorsitzende des Landesverbands.


Gespräch im Wissenschafts minsterium am 9.3.2016
Dr. Jörg Woll, Dr. Frank J. Reuther (1: Vorsitzender des MB-Landesverbands Baden-Württemberg), Dr. Simone Schwanitz (Ministerialdirektorin im Ministerium Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg), Dr. Borislav Santak, Prof. Dr. Dr. Christof Hofele (stellv. Bezirksvorsitzender Nordbaden), Dr. Katrina Binder (stellv. Bezirksvorsitzende Südwürttemberg)

Arbeitsmarkt macht mehr unbefristete Arbeitsverträge notwendig

Auch außerhalb von Universitätskliniken sind befristete Arbeitsverträge für Ärztinnen und Ärzte in der Weiterbildung immer noch die Regel. Dort richtet sich die Befristungsdauer jedoch unstreitig nach dem Gesetz über befristete Verträge mit Ärzten in der Weiterbildung. Danach muss die Befristung den Zeitraum umfassen, für den der weiterbildende Arzt die Weiterbildungsbefugnis besitzt, es sei denn der Arzt erreicht die Mindestweiterbildungszeit bereits vorher, weil er  anderweitig schon anrechenbare Weiterbildungszeiten erworben hat. Aufgrund der Situation am Arbeitsmarkt bieten einige Krankenhäuser ihren Weiterzubildenden zum Teil auch schon unbefristete Verträge an. Nach Abschluss der Weiterbildung folgen dann üblicherweise unbefristete Verträge.


Mit unbefristeten Verträgen erfahrene Ärzte halten

An den Universitätskliniken ist dies nach wie vor anders. Unter Geltung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes können Arbeitsverhältnisse unabhängig von der Weiterbildung ohne weiteres für insgesamt 6 Jahre befristet werden, bei promovierten Medizinern sogar für insgesamt 15 Jahre. Die Laufzeit der einzelnen Verträge können dabei wenige Monate bis mehrere Jahre umfassen. So sind selbst erfahrene Fach- und Oberärzte häufig noch befristet beschäftigt. Viele von ihnen verlassen deshalb früher oder später die Uniklinik. „Für die Abteilungen ist das fatal, weil so irgendwann die erfahrenen Ärzte fehlen.“ so Katrina Binder aus Tübingen. Dr. Borislav Santak konnte dies für Ulm bestätigen: „Erfahrene Ärzte werden oft nur über eine unbefristete Anstellung direkt bei der Uniklinik gehalten“.


Wissenschaftszeitvertragsgesetz gilt nicht für ärztliche Weiterbildung

Dabei ist nach Ansicht des Marburger Bundes zumindest bei den Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung das Wissenschaftszeitvertragsgesetz gar nicht anwendbar. „Bei der ärztlichen Weiterbildung handelt es sich nicht um eine wissenschaftliche Qualifizierung.“ erläuterte Sandra Bigge, die Geschäftsführerin des Landesverbands. „Aus diesem Grund müssen sich Befristungen innerhalb der Weiterbildung nach unserer Ansicht auch an den Universitätskliniken nach dem Gesetz über befristete Verträge mit Ärzten in der Weiterbildung richten.“


Perspektive 2020“ - verlässliche Beschäftigungsbedingungen des wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Personals

„Verlässliche Arbeitsbedingungen an den Universtäten sind für uns ein wichtiges Ziel“ betonte Frau Dr. Schwanitz. „Ausufernde Befristungen zu verhindern gehört dazu.“

Sie verwies auch auf die „Perspektive 2020“, den Hochschulfinanzierungsvertrag Baden-Württemberg 2015 - 2020 zwischen dem Land Baden-Württemberg mit den Hochschulen des Landes Baden-Württemberg vom 9. Januar 2015. Darin ist als eines der qualitativen Ziele die „Gute Arbeit an den Hochschulen“ genannt. Die durch die höhere Grundfinanzierung gewonnene Planungssicherheit soll für verlässliche Beschäftigungsbedingungen des wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Personals genutzt werden. „Befristungen sollen sich nach der Dauer und nach den Erfordernissen der Drittmittelgewährung oder der Qualifikationsphase richten“ heißt es darin. Und weiter: „Abgesehen davon werden Verträge mit einer Laufzeit von unter zwei Jahren nur in begründeten Ausnahmefällen geschlossen. Im nicht-wissenschaftlichen Bereich werden Stellen im Stellenplan der Hochschule, die mit der Wahrnehmung von Daueraufgaben belegt sind, in der Regel unbefristet besetzt.“


Mehr Transparenz bei der Erfassung von befristeten Verträgen – 40%-Quote*) wäre aus Sicht des MB-Landesverbandes angemessen

Personalentwicklung soll für frühzeitige Transparenz über Perspektiven für die Hochschulen und für die betroffenen Beschäftigten sorgen. Die Personalverwaltungssysteme sollen bis zum Sommersemester 2016 so gestaltet werden, dass für jede beschäftigte Person, differenziert nach Geschlecht und Zugehörigkeit zum wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Personal, die Anzahl der Arbeitsverträge bei der jeweiligen Einrichtung, die Gesamt- und Einzelbefristungsdauer, die Finanzierungsquelle sowie der Befristungsgrund recherchierbar sind.

„An den Universitätskliniken merken wir im ärztlichen Bereich leider noch nichts davon“ stellte Prof. Dr. Dr. Christof Hofele aus Heidelberg fest. „Die Befristungspraxis hat sich bisher nicht merklich geändert.“ 

„Eine Quote von 40 %*) unbefristeter Verträge ist aus unserer Sicht im ärztlichen Bereich angemessen“ forderte Dr. Reuther für die Ärztinnen und Ärzte. „Damit bleibt den Unikliniken noch genügend Spielraum im wissenschaftlichen Bereich.“

Hinsichtlich der Durchsetzbarkeit dieser Quote schlug Dr. Jörg Woll aus Freiburg vor „Ein Weg wäre z.B. den zu erreichenden Anteil unbefristeter Verträge zum Gegenstand der Zielvereinbarungen mit den Ärztliche Direktoren zu machen.“

Der Landesverband wird die weiter Entwicklung aufmerksam beobachten und diesbezüglich mit dem Ministerium im Gespräch bleiben.

*) gemeint ist mindestens, sofern es in speziellen Bereichen bereits jetzt höhere  Entfristungsquoten gibt, sollen diese natürlich nicht zurückgefahren werden!